Was bedeutet es, nach sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend selbst Kinder zu haben und elterliche Verantwortung zu tragen?

Symbolbild – drei Bäume von klein bis groß als Symbol für Elternschaft nach Sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend.

Eine Befragung von Betroffenen mit und ohne Kinder

Sexu­elle Gewalt in Kind­heit und Jugend kann viel­fäl­tige Aus­wir­kungen auf die Gesund­heit und Bio­grafie der Betrof­fenen haben. Der gewalt­volle und mani­pu­lie­rende Ein­griff, den sexu­elle Über­griffe durch nahe­ste­hende Per­sonen bedeuten, kann Folgen für die Fähig­keit haben, ver­läss­liche Bin­dungen ein­zu­gehen und anzu­bieten, Ver­trauen zu anderen Men­schen auf­zu­bauen und dau­er­haft zu halten. Deshalb kann es sein, dass eigene Bin­dungs­fä­hig­keit beein­träch­tigt ist und es schwerer fällt elter­liche Kom­pe­tenzen zu entwickeln.

Mit Kindern zu leben kann als Bela­stung, als Her­aus­for­de­rung oder als großes Glück emp­funden werden – oft alles gleich­zeitig. Es wäre ein Kurz­schluss, alle Pro­bleme, die Betrof­fene in ihrer Eltern­rolle haben, auf die Gewalt in der Kind­heit und Jugend zurück­zu­führen. Aber ange­sichts bekannter Aus­wir­kungen des Gewalter­le­bens ist es wichtig, die Frage nach spe­zi­fi­schen Bela­stungen und Bedarf an Unter­stüt­zung zu stellen.

Untersucht wurden folgende Fragen:

  1. Welche Bedeu­tung wird der Gewalt in der Kind­heit bei der Ent­schei­dung für oder gegen Kinder zugeschrieben?
  2. Welche Her­aus­for­de­rungen beschreiben Betrof­fene, die eigene Eltern­schaft vor dem Hin­ter­grund sexu­eller Gewalt in der Kind­heit leben?
  3. Wie werden Ent­schei­dungen für oder gegen eine Offen­le­gung der erlebten sexu­ellen Gewalt gegen­über eigenen Kindern getroffen?
  4. Welche Rolle spielt das Eltern­sein für die Bewäl­ti­gung der gewalt­vollen Kind­heits­er­fah­rungen und damit ver­bun­dene Belastungen?
  5. Inwie­weit stellt die Eltern­schaft eine Res­source für Betrof­fene dar?
  6. Wie wird die Angst vor dem eigenen Ver­sagen beim Schutz von Kindern Thema?
  7. Wie wird es erlebt, wenn der Schutz der Kinder nicht gelang?
  8. Welcher Unter­stüt­zungs­be­darf lässt sich anhand der Ergeb­nisse identifizieren?

Betroffene Eltern waren an der Forschung beteiligt

  • „Lange war es mir nicht möglich über­haupt über meine Erfah­rungen zu spre­chen. Nachdem ich die Sprach­lo­sig­keit über­winden konnte, galt es eine alters­an­ge­mes­sene Form zu finden, mit den Kindern zu spre­chen und ihnen so eine Erklä­rung geben zu können. Wichtig war vor allem, den Kindern Raum für Fragen zu ermög­li­chen. Seitdem kommen wir immer mal wieder über das Thema ins Gespräch und trau­ma­be­dingte ungün­stige Muster setzen sich nicht unre­flek­tiert fort.“
    Ava Anna Johannson, Mit­glied der Forschungsgruppe
  • „Die erfah­rene Unge­rech­tig­keit kann eine sen­sible, lie­bende, schüt­zende Eltern-​Kind-​Beziehung nicht ver­hin­dern. Betrof­fene Eltern in ihren Erfah­rungen und Bedenken ernst zu nehmen, sie zu sehen und zu hören, ist für mich gelebter Kin­der­schutz. Das gilt sowohl im pri­vaten Umfeld als auch in beruf­li­chen Kon­texten. Sie ver­fügen über Stärken und Kom­pe­tenzen, die bisher kaum genutzt wurden und von denen die Gesell­schaft zum Bespiel für die Ent­wick­lung von Schutz­kon­zepten und Fort­bil­dungen sehr pro­fi­tieren kann.“
    Claas Löpp­mann, Mit­glied der Forschungsgruppe)

Betroffenenbeteiligung

Die Studie wurde par­ti­zi­pativ unter aktiver Betei­li­gung von Erwach­senen, die in Kind­heit oder Jugend von sexu­eller Gewalt betroffen waren, durchgeführt.

Forschungsgruppe

Eine feste For­schungs­gruppe aus Betrof­fenen wurde gegründet, die sich regel­mäßig trifft, die For­schungs­fragen wei­ter­ent­wickelt und Aus­wer­tungs­schritte diskutiert.

Projektbeirat

Das Projekt wurde kri­tisch begleitet durch einen Beirat, der sich aus Ver­tre­te­rinnen und Ver­tre­tern von Wis­sen­schaft und Fach­praxis sowie Betrof­fenen zusammensetzt.

Forschung

Im Rahmen des For­schungs­pro­jekts wurden Inter­views und eine Grup­pen­dis­kus­sion durch­ge­führt. Um eine größere Anzahl von Betrof­fenen zu errei­chen, wurde ein Online-​Fragebogen ein­ge­setzt, der auf große Reso­nanz stieß.

Das Forschungsprojekt erfragte …

… die Erfah­rungen von Müttern und Vätern mit einer Geschichte sexu­eller Gewalt in der Kind­heit aufgreifen.

… die Über­le­gungen von Betrof­fene, die sich einen Kin­der­wunsch nicht erfüllt haben bzw. noch unent­schieden sind, oder für die sich die Frage auf­grund ihrer Geschichte gar nicht gestellt hat.

… die Her­aus­for­de­rungen der Eltern­schaft und Familie nach sexu­eller Gewalt in ihren viel­fäl­tigen Formen.